Der Wandel im Markt: Der War for Talents ist längst Realität
In Deutschlands Steuerkanzleien herrscht Fachkräftemangel. Laut Bundessteuerberaterkammer blieben 2024 rund 18.000 Stellen für Steuerfachangestellte unbesetzt. Gleichzeitig geben über 60 % der Kanzleien an, dass fehlendes Personal bereits zu Mandatskündigungen geführt hat. Die Frage ist nicht mehr: Wie finde ich neue Mandanten? Sondern: Wie gewinne ich die Menschen, die sie betreuen können?
Die Lösung: Wer heute als Arbeitgeber sichtbar, attraktiv und vertrauenswürdig auftritt, sichert sich Wettbewerbsvorteile. Doch dafür reicht ein Jobinserat auf StepStone längst nicht mehr.
Recruiting ≠ Personalabteilung – es ist Marketing
In vielen Kanzleien wird Recruiting noch als Verwaltungsaufgabe betrachtet – Ausschreibung schreiben, Bewerbung empfangen, absagen oder einstellen. Doch dieser Ansatz funktioniert in einem Arbeitnehmermarkt nicht mehr.
Erfolgreiche Kanzleien erkennen: Recruiting ist heute ein Teil des Marketings. Es geht darum, die eigene Kanzlei als starke Marke zu positionieren. Als „Produkt“, das Menschen kaufen möchten – in Form eines Arbeitsvertrags.
Die Parallelen zum klassischen Marketing sind frappierend:
- Zielgruppenanalyse: Wer ist mein idealer Mitarbeiter?
- Kanäle: Wo bewegt sich diese Person – LinkedIn, Instagram, Fachmessen, Steuerberaterkammer?
- Botschaft: Warum sollte er oder sie genau bei dieser Kanzlei arbeiten wollen?
- Conversion: Wie niedrig ist die Schwelle, sich zu bewerben?
Die größten Fehler im Recruiting
- Standardanzeigen mit Floskeln
Wer mit „junges, dynamisches Team sucht Verstärkung“ oder „leistungsbezogenes Gehalt“ wirbt, klingt wie jede dritte Anzeige. Solche Begriffe sagen nichts aus und wirken austauschbar. - Keine echte Arbeitgebermarke
Eine moderne Website, auf der Mitarbeiter sichtbar sind, Werte kommuniziert werden und echte Einblicke gegeben werden, fehlt oft völlig. Dabei ist sie der Dreh- und Angelpunkt jeder Recruiting-Kampagne. - Unprofessionelle Social-Media-Profile
Veraltete Fotos, kein Content, keinerlei Aktivität. Wer als Kanzlei auf Instagram oder LinkedIn nur sporadisch aktiv ist, wird von Bewerbern übersehen – oder gleich aussortiert. - Fehlender Recruiting-Funnel
Keine Landingpage, kein Bewerbungsformular, kein CV-Upload, keine Rückmeldung innerhalb von 48 Stunden – so vertreibt man sich die besten Kandidaten.
Die Lösung: Employer Branding und Recruiting-Funnel
Erfolgreiches Recruiting beginnt bei der Marke:
1. Employer Branding – Was macht euch besonders?
- Familienfreundliche Arbeitszeiten?
- Digitale Arbeitsplätze?
- Persönliche Weiterentwicklung?
- Eigenverantwortung statt Mikromanagement?
Diese Elemente müssen nicht versprochen, sondern gelebt und kommuniziert werden. Nur so entsteht Glaubwürdigkeit. Und genau das wollen Bewerber heute: Authentizität.
2. Karriereseite mit Funnel-Logik
Die Karriereseite ist das Herzstück modernen Recruitings. Sie sollte enthalten:
- Klare Darstellung der offenen Stellen
- Persönliche Vorstellung des Teams
- 3–5 Argumente, warum man Teil des Teams werden sollte
- Kontaktformular oder One-Klick-Bewerbung
Beispiel: Eine Steuerkanzlei in München hat mit einer simplen „Jetzt in 60 Sekunden bewerben“-Funktion auf der Karriereseite in 4 Wochen über 80 qualifizierte Bewerbungen generiert – durch gezieltes Retargeting über Facebook und LinkedIn.
3. Kanzleimarketing = Mitarbeitergewinnung
Die besten Mitarbeiter kommen nicht über Stellenbörsen, sondern über Sichtbarkeit. Erfolgreiche Kanzleien nutzen Content-Marketing auch für Bewerber. Mögliche Formate:
- Reels auf Instagram: „Ein Tag als Steuerfachangestellte bei [Kanzleiname]“
- LinkedIn-Posts: Einblicke in Weiterbildungen oder Teamevents
- Blogartikel: „Warum wir keine Überstunden wollen – und wie wir das schaffen“
Das zeigt Haltung – und Haltung zieht an.
Die Rolle der Führung: Kultur ist das stärkste Argument
Menschen kündigen nicht, weil der Obstkorb fehlt – sondern wegen Führung, Überlastung, fehlender Perspektiven. Kanzleien, die eine wertschätzende, strukturierte und offene Unternehmenskultur leben, haben die besten Chancen, nicht nur neue Leute zu gewinnen – sondern sie auch zu halten.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Kanzlei mit 18 Mitarbeitenden führte wöchentliche Team-Check-ins, ein internes Wiki und ein Buddy-System für neue Kolleginnen ein. Die Fluktuation sank auf unter 5 %, die Bewerberqualität stieg massiv – ohne höhere Gehälter.
Warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist
Der Nachwuchs in der Steuerberatung wird in den kommenden Jahren dramatisch schrumpfen – durch Renteneintritte, sinkende Ausbildungszahlen und wachsendes Desinteresse an „verstaubten“ Branchen.
Wer heute handelt, wird morgen wachsen. Wer wartet, wird austauschbar.
Talente gewinnen ist kein Glück – es ist Strategie. Und wer sich als starke Marke präsentiert, wird nicht nur als Berater gesehen, sondern als Arbeitgeber der Zukunft.