Der Trugschluss der Digitalisierung
Viele Unternehmen glauben, mit dem Umstieg auf digitale Belege sei die Digitalisierung der Buchhaltung abgeschlossen. Die Realität sieht anders aus: Zwar flattern Rechnungen per E-Mail herein und Belege werden in DATEV Unternehmen online oder vergleichbaren Systemen abgelegt, doch der eigentliche Buchhaltungsprozess bleibt oft unverändert – langsam, fehleranfällig und analog im Denken.
Was digitale Belege (nicht) leisten
Der digitale Beleg allein ist kein Produktivitätsbooster. Wenn dieser vom Mandanten per E-Mail kommt, ausgedruckt, manuell eingescannt, gespeichert und dann aufwendig verschlagwortet wird, bleibt der Aufwand hoch. Der Medienbruch ist nicht technisch, sondern prozessual. Eine effiziente digitale Buchhaltung braucht mehr als PDF-Dateien – sie braucht strukturierte Workflows, klare Verantwortlichkeiten und Automatisierung.
Warum Kanzleien weiter Zeit verlieren
Viele Steuerkanzleien arbeiten noch mit veralteten Routinen. Die Belegvorerfassung wird zwar digital durchgeführt, aber oft ohne Systematik oder zentrale Kontrolle. Automatisierungsfunktionen in DATEV, Addison oder Agenda werden nicht konsequent genutzt. Das Personal ist überfordert, schlecht geschult oder auf manuelle Prozesse konditioniert. Digitalisierung wird als technisches Problem behandelt, obwohl es ein Führungsproblem ist.
Schuld sind nicht nur die Mandanten
Ein beliebtes Argument: „Unsere Mandanten machen nicht mit.“ Doch wer definiert eigentlich die Spielregeln? Wer erklärt dem Mandanten, wie moderne Buchhaltung funktioniert? Viele Kanzleien übernehmen lediglich die Rolle des Erfüllungsgehilfen, anstatt Prozesse zu steuern. Unternehmer erwarten heute Effizienz, Geschwindigkeit und Echtzeit-Auswertungen. Wer das nicht liefern kann, verliert Mandate an moderne Wettbewerber – oft kleine Start-ups mit klaren Strukturen.
Die Buchhaltung als Steuerungsinstrument
Moderne Buchhaltung ist mehr als gesetzliche Pflicht. Sie ist Basis für Controlling, Finanzierung und Unternehmensführung. Wenn die Buchhaltung jedoch erst Wochen oder Monate nach Monatsende fertig ist, verliert sie ihren Wert. Die Aussagekraft leidet, Entscheidungen basieren auf veralteten Daten. Wer digital effizient arbeitet, kann seinen Mandanten tagesaktuelle Zahlen liefern – und damit echten Mehrwert schaffen.
Beispiele für Effizienzverluste in der Praxis
- Keine OCR-Erkennung aktiviert: Rechnungen werden zwar digital übermittelt, aber nicht automatisch ausgelesen.
- Keine Bankregeln gesetzt: Wiederkehrende Zahlungen werden händisch zugeordnet, statt automatisch verbucht.
- Keine Prozessautomatisierung: Statt Schnittstellen und API zu nutzen, wird noch per Hand zwischen Systemen übertragen.
- Unklare Zuständigkeiten: Wer ist für was verantwortlich? Ohne Prozessverantwortung bleibt Effizienz auf der Strecke.
Der Preis ineffizienter Prozesse
Jede unnötige Minute in der Buchhaltung kostet. Entweder bezahlt der Mandant zu viel – oder die Kanzlei arbeitet unwirtschaftlich. Die Folge: Frustration auf beiden Seiten. Mandanten empfinden die Dienstleistung als teuer und träge. Kanzleien ächzen unter dem Personalmangel. Dabei ließe sich vieles durch klare Prozessdefinitionen und konsequente Digitalisierung lösen.
Was heute möglich ist
Mit Lösungen wie DATEV Unternehmen online, GetMyInvoices, Lexoffice, sevDesk, Candis oder Kontool lassen sich viele Prozesse vollständig automatisieren. Von der Belegübermittlung bis zur Buchung, von der Zahlungsabwicklung bis zur BWA. Es braucht allerdings den Mut zur Veränderung – und klare Verantwortlichkeiten.
Handlungsempfehlungen für Kanzleien und Unternehmer
- Mandanten schulen: Digitalisierung beginnt beim Mandanten. Wer ihn richtig abholt, spart später Zeit und Geld.
- Automatisierung ernst nehmen: Bankregeln, OCR, Workflows – alles muss konsequent genutzt werden.
- Rollen definieren: Wer ist zuständig für Kontrolle, Freigabe, Kommunikation?
- Technologie aktiv managen: Systeme sind Werkzeuge, keine Lösungen. Der Mensch entscheidet über Effizienz.
- Kennzahlen einführen: Wie lange dauert eine Buchung? Wo entstehen Engpässe? Ohne KPI keine Steuerung.
Zukunft beginnt mit Struktur
Buchhaltung kann heute schnell, effizient und nahezu automatisiert ablaufen. Der technologische Rahmen ist da. Doch ohne klare Prozesse, Verantwortlichkeiten und digitale Haltung bleibt alles beim Alten. Wer sich jetzt nicht bewegt, bleibt zurück – und wird von Mandanten überholt, die längst neue Erwartungen an ihre steuerliche Beratung stellen.